Nichtigkeit eines Verwaltungsakts bei zweifelhafter Adressierung
(Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 03. 11. 2009, 9 K 1948/08)
Handelt eine Behörde zur konkreten Regelung eines Sachverhalts nach außen, bedient sie sich in der Regel des Verwaltungsakts im Sinne des § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Bauvorbescheide, Kostenfestsetzungen, Verkehrsschilder und dergleichen sind allesamt Verwaltungsakte. Dagegen kann sich der Betroffene in der Regel mit dem Widerspruch innerhalb eines Monats zur Wehr setzen und gegen den meistens ablehnenden Widerspruchsbescheid binnen eines Monats Klage in der Regel vor dem Verwaltungsgericht erheben. Dieses prüft den Verwaltungsakt im Rahmen einer Anfechtungsklage (z. B. wenn dem Betroffenen eine Pflicht auferlegt oder ein Recht abgestritten wird) auf Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit. Unwirksam (und dann noch nach der Monatsfrist angreifbar) sind Verwaltungsakte nur selten und im Falle eines offenkundigen, schweren Fehlers. Solch ein Fehler liegt gemäß § 37 VwVfG z. B. dann vor, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht bestimmt genug ist.
Einen derartigen Fehler erkannte das Verwaltungsgericht Karlsruhe kürzlich zum o. g. Aktenzeichen in der Adressierung eines Kosten-VA gegen die Klägerin in Verbindung mit einigen widersprüchlichen Angaben in dem Bescheid selbst und nachfolgenden Schreiben der Behörde während des Widerspruchsverfahrens.
Die Behörde hatte Sachen in Verwahrung genommen und die Kosten (möglicherweise) der Klägerin auferlegt. Dabei war sich die Behörde nicht sicher, ob die Sache der Klägerin oder ihrem Sohn gehörte. Mit Bescheid vom 22. 10. 2007, der im Adressfeld die Klägerin benannte, verlangte sie für angeblich entstandene Kosten die Zahlung von 150,- €. In der Anrede wurde sie persönlich angesprochen und mitgeteilt, dass „gegen Sie folgende Verfügung“ ergehe.
Andererseits wurde der Bescheid auch ausdrücklich an die Klägerin „auch als gesetzliche Vertreterin Ihres minderjährigen Sohnes“ gerichtet. In ihren Schreiben vom 22.11.2007 und 22.02.2008 teilte die Behörde zudem mit, die Klägerin sei als Vertreterin ihres minderjährigen Sohnes herangezogen worden, da nach Aktenlage ihm die Sachen überschrieben worden seien. Danach wäre der Bescheid vom 22. 10. 2007 der Klägerin gegenüber nur bekannt gegeben worden.
In der Begründung des Bescheids wird außerdem erwähnt, dass sich die Familie der Klägerin offenbar hinsichtlich des Eigentums uneinig sei, er daher an die Klägerin und ihren Ehemann erging. Während der mündlichen Verhandlung äußerte der Behördenvertreter, man habe wegen der unklaren Eigentumslage die Verfügung an alle Familienangehörigen gerichtet bzw. richten wollen.
Dazu führt das Verwaltungsgericht in seinem Urteil, das dem Antrag der Klägerin folgte und den Bescheid auf Kosten der Landeskasse aufhob, in seinem Urteil aus:
„Angesichts dieser vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten ist aus dem Bescheid und den ihm zugrunde liegenden Umständen nicht mit hinreichender Klarheit auf den Inhaltsadressaten zu schließen. Darin liegt ein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler, der nach § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG 10. Auflage, § 37 Rn. 10; zur Nichtigkeit im Abgabenrecht VG Schleswig, Urt. v. 07. 11. 2005 – 4 A 206/04 -, NVwZ-RR 2007, 130).“.