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Reiseveranstalter muss Hotels in Afrika mehrfach im Jahr überprüfen (Landgericht Berlin, Urteil vom 05. 04. 2012, Az. 10 O 389/11) von Rechtsanwalt Alexander Kysucan

Als Veranstalter von Pauschalreisen trifft den Veranstalter hinsichtlich der Hotels, derer er sich im Rahmen seiner Programme bedient und die seine Erfüllungsgehilfen sind, die Pflicht, sie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und sich insbesondere vom ordnungsgemäßen Zustand der Anlagen zu überzeugen. Wie oft eine solche Überprüfung erfolgen muss, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Steht ein Hotel in Afrika, gelten besonders hohe Standards, weil nicht immer mit regelmäßiger Prüfung vor Ort, z. B. durch Behörden, zu rechnen ist.

In einem von der Kanzlei Kysucan bearbeiteten Fall hatte die Geschädigte und spätere Klägerin im Frühjahr 2011 ein Hotel in Namibia besucht und zog sich einen komplizierten Trümmerbruch zu, als sie von einem Balkon stürzte, dessen Beschaffenheit dem Gewicht der Hotelgäste nicht gewachsen war und nachgab. Wieso der Balkon derartig mangelhaft war, konnte nicht mehr geklärt werden. Der Urlaub war jedenfalls gelaufen und die vorzeitige Rückreise nach Deutschland musste organisiert werden. In der Folge versäumte die Geschädigte noch weitere Urlaube, die bereits gebucht waren und wegen der Verletzung, an deren Folgen sie noch heute leidet, nicht angetreten werden konnten.

Hierauf angesprochen verweigerte die in Deutschland weitestgehend bekannte Veranstalterin die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld mit dem Argument, die Geschädigte habe die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz (§ 651f BGB) für nicht ordnungsgemäß erbrachte Reiseleistungen nach § 651g BGB versäumt. Danach hat der Reisende in der Tat seine Ansprüche gegenüber dem Veranstalter innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vorgesehenen Ende der Reise anzumelden. Ein deliktischer Anspruch auf Schadensersatz, der von der Ausschlussfrist des § 651g BGB nicht erfasst wird, bestünde ebenfalls nicht, weil die Veranstalterin das Hotel kontrolliert habe – letztmalig 2009. Durch wen und wie erklärte sie nicht.

Vor Gericht bekam die Klägerin jedoch eine hohe vierstellige Summe an Schmerzensgeld und Schadensersatz zugesprochen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Beklagte für alle noch nicht absehbaren Gesundheitsschäden haften muss. Ob der Anspruch aus § 651f BGB herrührte oder ggf. wegen Versäumung der Monatsfrist des § 651g BGB ausgeschlossen sei, könne offen bleiben. Tatsächlich hatte die Klägerin den Schaden nicht innerhalb der Frist geltend gemacht, doch fehlte andererseits eine Belehrung der Klägerin durch die Beklagte gemäß § 6 BGB Informationspflichtenverordnung (BGBInfoV), wonach der Veranstalter entweder ausdrücklich auf die Frist nach § 651g BGB hinweisen oder, falls der Hinweis in AGB versteckt ist, innerhalb der Reisebestätigung oder einem Prospekt ausdrücklich darlegen muss, wo innerhalb der AGB Ausführungen zur Ausschlussfrist zu finden sind, da die Ausschlussfrist nach § 651g BGB sonst nicht zu laufen beginnt (so bereits BGH, Urteil vom 12. 06. 2007, Az. X ZR 87/06). Letztlich sah das Gericht die Beklagte aufgrund unterlassener Überprüfung der Hotelanlage nach § 823 BGB in der Pflicht und stellte ausdrücklich fest, dass das in einem afrikanischen Land befindliche Hotel mehrmals im Jahr hätte kontrolliert werden müssen (Landgericht Berlin, Urteil vom 05. 04. 2012, Az. 10 O 389/11). Unterlässt sie dies, haftet sie im Zweifel für Schäden wegen Bausubstanzmängeln unter dem Aspekt des Schadensersatzes wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Klägerin wäre auch nicht verpflichtet gewesen, den Balkon vor dem Betreten zu untersuchen, womit ein Mitverschulden ihrerseits ausscheidet. Da die letzte Kontrolle des Hotels durch die Beklagte 2009 stattfand, habe die Beklagte ihren Pflichten nicht im Ansatz genügt.